Nachdenken über die Schulden
Nachdenken über die Schulden
Schuldenstand der Stadt Wiesmoor könnte sich in kürzester Zeit verdoppeln
Wiesmoor. Bürgermeister Sven Lübbers und Kämmerer Jens Brooksiek können dem Haushalt der Stadt Wiesmoor für das Jahr 2024 durchaus positive Seiten abgewinnen. Zum Beispiel: Die Einnahmen aus allgemeinen Deckungsmittel abzüglich Umlagen sind gegenüber dem Vorjahr um nochmal 2,1 Millionen Euro gestiegen, der Anteil des Landkreises an den Kosten für die Kindertagesstätten steigt und die Nettoneuverschuldung liegt in diesem Jahr unter einer Million Euro, obwohl die Stadt 7,8 Millionen Euro investiert, darunter allein 2 Millionen für das Hallenbad.
- Doch schon die Tatsache, dass der Fachausschuss die Anlage eines Kunstrasenplatzes beschlossen hatte, die Investition von 2,4 Millionen jedoch nicht im Haushalt auftaucht, zeigt, dass die Stadt kritisch auf ihren Schuldenstand schaut. Sorglose Zufriedenheit oder gar Euphorie könnten gefährlich werden. Der Wiesmoorer Haushalt 2024 ist auch ein Indiz dafür, dass die Kommunen unterfinanziert sind. Um ihre wachsenden Aufgaben zu erfüllen, ist ihr Anteil am allgemeinen Steueraufkommen sehr knapp bemessen.
Erkennbar wird das erstens, wenn man sich vor Augen führt, welche entweder unabweisbaren oder für die Gemeindeentwicklung notwendigen oder politisch sehr gewünschten Investitionen die Stadt vor sich herschiebt. Neben den 2,4 Millionen für den Kunstrasenplatz sind das 12 Millionen für ein neues Feuerwehrhaus, 1,13 Millionen für neue Feuerwehrfahrzeuge, bis zu 3,6 Millionen für die Kita Vossbarg, sowie ein noch nicht bezifferter, aber möglicherweise auch siebenstelliger Betrag für die Erweiterung der Grundschule Am Fehnkanal. (Die genauen Zahlen finden sich in der Präsentation.) Das sind zusammen rund 20 Millionen Euro.
Hinzu kommt, dass der Birkhahnweg endlich saniert werden muss, über die Erweiterung des Gewerbegebietes D 11 nachzudenken ist, und eine Tangente vom Neuen Weg zur Oldenburger Straße die Verkehrsbelastung im Zentrum erheblich verringern würde. Der Bau der Tangente steht in Zusammenhang mit der Erschließung der Neuen Mitte, für die Grundstücke auch noch gekauft werden müssen. Nach Schätzungen von Kämmerer Jens Brooksiek würden diese Projekte mindestens noch einmal 10 Millionen Euro kosten. Die Verschuldung von heute 30,8 Millionen Euro stiege dann in diesem Jahrzehnt auf rund 60 Millionen Euro. Sie verdoppelte sich in wenigen Jahren.
Da die Stadt nicht mit entsprechenden Einnahmesteigerungen rechnen kann, fordern der Bürgermeister und sein allgemeiner Vertreter alle Beteiligten auf, intensiv über die zukünftige finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt nachzudenken. Und dazu gehöre auch, Kostensenkungen ins Auge zu fassen. Mit gutem Beispiel voran gehe die Freiwillige Feuerwehr, die sich in anderen Gemeinden mit neuen Feuerwehrhäusern umschaue, um kostengünstigere Lösungen zu finden. Doch eines sei sicher: Um einen Neu- oder großen Umbau komme die Stadt nicht herum. Heute zögen sich die Feuerwehrleute hinter den Fahrzeugen um, es gebe keinen abgetrennten Schwarz-weiß-bereich. Das müsse geändert werden. Auch sei der Weg von den Parkplätzen zu den Fahrzeugen so lang, dass die vorgegebenen Zeiten, bis wann die Wehr einen Brand oder Unfall erreichen müsse, nicht mehr immer eingehalten werden könnten.
Deutlich wird die allgemeine Unterfinanzierung von Kommunen am Wiesmoorer Haushalt zweitens auch dadurch, dass die Stadt nach Abzug der Kreis-und der Gewerbesteuerumlage von ihren steuerlichen Einnahmen und Schlüsselzuweisungen nur 55,5 Prozent, also 12,3 Millionen Euro behält. Bei Aufwendungen von rund 40 Millionen ist das weniger als ein Drittel. Die anderen beiden Drittel bestehen vor allem aus Zuschüssen (etwa für Kindergärten und Schulen), aus Förderprogrammen oder aus Gebühren (Abwasserbeseitigungsgebühren). Hinzu kommen Einnahmen beim Hallenbad oder beim Campingplatz. Das Problem ist nur: Diese Einnahmen sind an den Zweck gekoppelt. Die Gemeinde kann über ihre Verwendung nicht entscheiden. Das höhlt die politische Selbstständigkeit aus.
Nach Auskunft von Kämmerer Jens Brooksiek kann man drei verschiedene Arten von Schulden unterscheiden. Für sich zu betrachten seien die 2,77 Millionen, die die Stadt für ihre Beteiligung an der EWE-Netz GmbH bezahlt habe. Deren Ertrag übersteige die Zinsausgaben um rund 75.000 Euro pro Jahr.
Dann hat die Stadt am Ende dieses Jahres voraussichtlich 26 Millionen langfristige Schulen. Die Laufzeiten liegen zwischen zehn und 30 Jahren und sind, soweit möglich, den realen Abschreibungszeiten der jeweiligen Investition angepasst. Im Idealfall ist der Kredit abbezahlt, wenn die Investition erneuert werden muss.
Zudem hat die Stadt rund 4 Millionen Euro kurzfristige Kredite aufgenommen. Da mit diesen Krediten die Ausweisung und Erschließung neuer Baugebiete bezahlt wurde, werden sie nur verzinnst und nicht getilgt. Die Tilgung geschieht durch den Verkauf der Grundstücke.